Argentinisches Gericht erklärt Verfahren um Maradonas Tod für ungültig nach TV-Doku mit Richterin
  • 22.11.2025
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Ein argentinisches Gericht hat das hochkarätige Verfahren gegen sieben Ärzte und Pflegekräfte wegen der mutmaßlichen fahrlässigen Behandlung von Diego Armando Maradona für ungültig erklärt – nachdem sich eine der drei Richterinnen, Julieta Makintach, aus dem Fall zurückzog, weil sie in einer unautorisierten Fernsehdokumentation als zentrale Figur auftrat. Die Entscheidung fiel am 30. Mai 2025, nachdem am 18. März 2025 im San Isidro Gericht ein Trailer der Serie Divine Justice vorgeführt wurde, in dem Makintach nicht nur als Richterin, sondern als Erzählerin des Falls agierte. Der Staatsanwalt Patricio Ferrari sprach von einem "skandalösen Bruch der Neutralität": "Sie verhält sich wie eine Schauspielerin – nicht wie eine Richterin."

Ein Fall, der die Nation erschütterte

Diego Armando Maradona starb am 25. November 2020 im Alter von 60 Jahren in seinem Haus in Tigre, Provinz Buenos Aires. Sein Tod – verursacht durch ein Herzversagen nach jahrelanger gesundheitlicher Abwärtsspirale – löste in ganz Argentinien Trauer und Wut aus. Die Angeklagten, darunter sein Hauptarzt Leopoldo Luque, werden vorgeworfen, ihn monatelang mit unzureichender medizinischer Versorgung, fehlender Überwachung und unprofessionellem Umgang mit seinen chronischen Erkrankungen zurückgelassen zu haben. Laut medizinischen Gutachten, die während des Prozesses vorgestellt wurden, sah Maradona am Tag vor seinem Tod "aus, als würde er gleich explodieren" – ein Bild, das die Öffentlichkeit bis heute erschüttert.

Die TV-Doku, die den Prozess zerstörte

Was den Prozess zum Kollaps brachte, war nicht etwa ein juristischer Fehler, sondern eine mediale Fehlentscheidung. Die Richterin Makintach war nicht nur Zuschauerin der Dokumentation Divine Justice – sie war die zentrale Figur. In mehreren Szenen spricht sie direkt in die Kamera, kommentiert Beweise, formuliert Verdachtsmomente und vermittelt den Eindruck, sie habe sich bereits ein Urteil gebildet. Das ist in Argentinien streng verboten: Die Justiz darf nicht ins Fernsehen, keine Aufnahmen, keine Interviews, keine Selbstdarstellung. Der Anwalt von Luque, Julio Rivas, hatte bereits vor der Enthüllung beantragt, Makintach abzusetzen. "Sie hat ihre Rolle als Richterin mit der einer Medienpersönlichkeit vermischt", sagte er. Besonders peinlich: Rivas berichtete, die BBC habe ihn kontaktiert, um eine Dokumentation über den Prozess zu drehen – ein weiterer Verstoß gegen das Verbot, Gerichtsverfahren zu filmen.

Was bleibt nach dem Mistrial?

Die Entscheidung für ein Mistrial ist selten – und noch seltener, wenn sie durch Medienaktivitäten ausgelöst wird. Das Gericht hat nun zwei Optionen: Entweder wird der gesamte Prozess von vorn beginnen, mit einer völlig neuen Richterschaft, oder es wird versucht, nur Makintach zu ersetzen und den bisherigen Beweisstand zu übernehmen. Beides ist problematisch. Die Anklage hat bereits drei Monate lang Zeugen vernommen, medizinische Gutachten vorgelegt und die Öffentlichkeit in Atem gehalten. Jede Wiederholung würde Jahre kosten – und die Familie Maradona, die auf Gerechtigkeit wartet, weiter quälen.

Ein zweites Verfahren – und eine TV-Serie, die die Wunde aufreißt

Parallel zum Hauptverfahren steht bereits ein zweites Verfahren an: Im Juli 2025 soll ein achtes Mitglied des medizinischen Teams vor einem Geschworenengericht erscheinen. Dieses Verfahren ist nicht betroffen – doch die mediale Aufmerksamkeit wird sich weiterhin auf Maradona konzentrieren. Denn kaum ist ein Gerichtsverfahren in die Luft gegangen, erscheint eine neue Serie: Maradona: Blessed Dream, die 2021 auf Amazon Prime Video startete und bereits für eine zweite Staffel verlängert wurde. Mit Juan Palomino als erwachsener Maradona, Mercedes Morán als Claudia Villafañe und einem Budget von über 20 Millionen Dollar wurde ein epischer Lebensbogen inszeniert – mit dramatischen Szenen aus der WM 1986, der Napoli-Ära und dem Absturz in die Drogenabhängigkeit. Kritiker monierten "schwache Schauspielleistung und ideologische Verzerrungen", doch die Serie hat 7,1 von 10 Punkten auf IMDb. Sie verherrlicht Maradona – und macht ihn noch unantastbarer. Während die Justiz zerreißt, wird er zur Legende.

Warum das für Argentinien mehr als ein Justizskandal ist

Maradona war kein Fußballer. Er war ein Volksheld, ein Sohn der Armut, der mit einem Ball die Welt veränderte. Sein Tod war ein nationaler Schock. Und jetzt? Jetzt wird die Justiz als parteiisch, unprofessionell und medial manipulierbar dargestellt. Die Öffentlichkeit fragt: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure? In einem Land, in dem Korruption und politische Einflussnahme oft die Justiz bestimmen, ist dieser Fall ein Testfall. Wenn eine Richterin sich in einer TV-Doku als Heldin des Falls inszeniert – wer dann noch vertraut?

Was kommt als Nächstes?

Die nächste Anhörung ist für Juni 2025 angesetzt – aber noch ist unklar, ob sie stattfinden wird. Die oberste Justizbehörde Argentiniens muss entscheiden, ob ein neuer Richter ernannt wird oder ob der gesamte Prozess neu beginnen muss. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Neubewertung aller Beweise – eine Aufgabe, die Jahre dauern könnte. Meanwhile: Die Familie Maradona hat bisher keine Entschuldigung erhalten. Keine Reue. Keine Erklärung. Nur eine Doku, die den Fall zur Unterhaltung macht.

Häufig gestellte Fragen

Warum ist die Teilnahme der Richterin an einer TV-Doku so schwerwiegend?

In Argentinien ist es streng verboten, Gerichtsverfahren zu filmen oder Richter in medialen Produktionen über laufende Fälle auftreten zu lassen. Die Neutralität der Justiz ist ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit. Wenn eine Richterin in einer Dokumentation als Erzählerin agiert, suggeriert sie, sie habe sich bereits ein Urteil gebildet – das untergräbt das Vertrauen in ein faires Verfahren und kann zur Aufhebung des Prozesses führen, wie hier geschehen.

Welche Konsequenzen hat das Mistrial für die Angeklagten?

Die sieben Angeklagten sind nun juristisch "wieder unschuldig" – aber nicht entlastet. Der Beweisstand bleibt bestehen, und die Staatsanwaltschaft kann den Prozess neu starten. Die Verzögerung könnte Jahre dauern. Für einige Angeklagte, besonders ältere Ärzte, bedeutet das psychische Belastung und finanzielle Unsicherheit. Die Fristen für die Haftbefehle laufen nicht automatisch ab – sie müssen neu bewertet werden.

Warum gibt es ein zweites Verfahren im Juli 2025?

Ein achtes Mitglied des medizinischen Teams, das nicht im Hauptverfahren angeklagt wurde, wird vor einem Geschworenengericht erscheinen. Dieses Verfahren ist unabhängig, da es sich um andere Vorwürfe und andere Personen handelt – möglicherweise um eine Krankenschwester, die bei der Überwachung versagte. Sie wird nicht von der Mistrial-Entscheidung betroffen, aber die mediale Aufmerksamkeit wird sich weiterhin auf den gesamten Fall konzentrieren.

Wie hat die Öffentlichkeit auf die Enthüllung reagiert?

In Argentinien gab es sofort Wut auf sozialen Medien: #JusticiaEnTV trendete. Viele sahen darin einen Beweis dafür, dass die Justiz nicht unabhängig ist, sondern von Medien und Macht beeinflusst wird. Kommentatoren verglichen die Situation mit früheren Fällen, in denen Prominente durch TV-Interviews vor Gericht "verurteilt" wurden. Die Zeitung Clarín titelte: "Die Justiz wird zum Reality-TV."